Palmöl – Verlust von Biodiversität ohne tatsächliche Alternative?

Überblick Diversität

Palmöl ist aus Gesundheits- und Umweltschutzgründen stark umstritten. Trotzdem findet es sich in knapp der Hälfte aller Nahrungsmittel, in Kosmetika, Putzmitteln oder in Medikamenten. Viele propagieren den kompletten Verzicht auf Palmöl als die einzige Lösung. Nun mischt ausgerechnet eine neue Studie der Weltnaturschutzunion IUCN die Diskussion weiter auf, indem sie sich für nachhaltiges Palmöl als den sinnvollsten Weg ausspricht.

 

Bilder von riesigen Palmölplantagen, die den Regenwald verdrängen und dadurch den Lebensraum bedrohter Arten zerstören, haben sich längst in unseren Köpfen festgesetzt. Viele Konsumentinnen und Konsumenten sind sich der negativen Folgen von Palmöl bewusst und versuchen sich palmölfrei zu ernähren. Doch palmölfrei heisst, dass alternative Öle verwendet werden und genau hier schlägt eine von der Weltnaturschutzunion (IUCN) lancierte Studie Alarm: Der Bericht mit dem Titel "Palmöl und Biodiversität" zeigt in einer objektiven Analyse die Auswirkungen von Palmöl auf die Artenvielfalt auf. Tatsache ist, dass andere Ölpflanzen bis zu neun Mal so viel Anbaufläche benötigen, wie die Ölpalme. Um die globale Nachfrage nach Pflanzenöl auch dann zu decken, wenn auf Palmöl komplett verzichtet würde, müsste also eine deutlich grössere Anbaufläche genutzt werden. Müssten andere Ölpflanzen das Palmöl ersetzen, könnte sich der Schaden auf weitere Ökosysteme (wie die südamerikanischen Tropenwälder oder die afrikanische Savanne) verlagern. Laut der IUCN-Studie sei zertifiziertes Palmöl daher der sinnvollste Weg. Diese Aussage ist aber nicht unumstritten. Ein früher veröffentlichte Studie australischer Organisationen (Universität Queensland und CEED und Borneo Futures) vergleicht nicht-zertifizierte mit zertifizierten Palmölplantagen und kommt zu einem gegenteiligen Schluss.

Nestlé kurzzeitig von RSPO ausgeschlossen

Die Organisation Roundtable on Sustainable Palm Oil (RSPO) setzt sich seit gut 14 Jahren für nachhaltiges Palmöl ein. Doch genau wie das Palmöl selber ist auch die RSPO umstritten. Gegnerinnen und Gegner proklamieren, dass das CSPO-Zertifikat der Organisation (Certificate of Sustainable Palm Oil) nur dem guten Gewissen von Unternehmen und Konsumenten dient. Richtlinien würden nicht eingehalten und Mitglieder zu wenig kontrolliert. Sie fordern strengere Vorschriften und härtere Strafen bei Vergehen. Nun scheint die RSPO diesen Forderungen Rechnung zu tragen: Vor wenigen Wochen schloss sie den internationalen Grosskonzern Nestlé von der Mitgliederorganisation aus. Nestlé hatte Beiträge nicht bezahlt und gegen die Transparenzrichtlinien der RSPO verstossen. Als Konsequenz durfte der Konzern seine Produkte nicht mehr mit dem CSPO - Siegel kennzeichnen - zumindest für kurze Zeit. Nach knapp zwei Wochen hatte der Konzern reagiert und der Ausschluss wurde wieder rückgängig gemacht. Für Nestlé ist die RSPO-Welt damit wieder in Ordnung... Auf jeden Fall setzte die RSPO aber mit dem Ausschluss dieses globalen Big-Players ein dringend notwendiges Zeichen in die richtige Richtung.

Gibt es wirklich keine Alternativen?

Palmöl zu verbieten oder ganz darauf zu verzichten sei gefährlich und berge noch grössere Gefahren für die Biodiversität legt der Bericht der IUCN nahe. Sicher stimmt das, wenn man als Palmöl-Ersatz lediglich Produkte wie Rapsöl oder Kokosöl in Betracht zieht. Wir von BOS Schweiz glauben, dass bei der Suche nach sinnvollen Palmöl-Alternativen der Horizont erweitert werden muss, denn: es gibt bereits heute wirklich kreative und innovative Ideen. Zum Beispiel hat das Startup Carbocycle ein Verfahren entwickelt, mit welchem auf organischem Abfall Pilzkulturen gezüchtet und daraus eine Palmölalternative hergestellt werden kann. Der Produktionszyklus (von der Anzucht der Pilze bis zur Ernte des Öls) ist mit wenigen Tagen extrem kurz. Auch in Bezug auf die benötigten Anbauflächen ist dieser Ansatz interessant um nicht zu sagen bahnbrechend. Auf jeden Fall sollte man sich nicht vom scheinbar Naheliegenden blenden lassen. Der Umstieg auf ein alternatives Produkt ist ebenfalls der falsche Ansatz. Stattdessen scheint eine Diversifizierung sinnvoll, um von den riesigen Monokulturen weg zu kommen.
Richtlinien RSPO Siegel
Und «last but not least» bleiben wir dabei und hinterfragen die zugrunde liegende Prämisse der Diskussion: Braucht es denn überhaupt so viel Palmöl? Wie haben unsere Eltern gelebt, bevor sich Palmöl explosionsartig verbreitet hat? Auch wenn das der Industrie nicht passen wird: Unsere Küche sollte mit weniger Fertig- und Halbfertigprodukten und mit mehr regionalen und saisonalen Zutaten auskommen können.

Nein, zertifiziertes Palmöl kann nicht die abschliessende Antwort sein

BOS Schweiz spricht sich für zertifiziertes Palmöl und vor allem für eine Reform bzw. Weiterentwicklung des existierenden RSPO-Regimes aus. Das Ende der Fahnenstange ist dort noch lange nicht erreicht. Dieser Weg ist vor allem deshalb sinnvoll, weil auf die Schnelle recht viel erreicht werden kann. Die Tendenz, zertifiziertes Palmöl als das Nonplusultra zu propagieren, sehen wir jedoch kritisch. Es ist bewiesen, dass Palmöl die globale Biodiversität schädigt und das Überleben der Orang-Utans massiv gefährdet. Auch für zertifiziertes Palmöl wird (und wurde) Regenwald abgeholzt und Lebensraum für unzählige Tier- und Pflanzenarten geopfert. Wir von BOS Schweiz geben uns nicht damit zufrieden, dass wir zertifiziertes Palmöl als Rechtfertigung für unseren Konsum benutzen. Wir hinterfragen unseren Konsum täglich. Und Sie?