Alba darf in die Freiheit

Alba_Rückblick

Alba bei ihrer Rettung (Bild: BOS Stiftung).

Details und Kommentar zur Auswilderung - Zürich, 18. Dezember 2018.

Erst vorgestern reiste Herr Schneider-Ammann nach Jakarta und unterzeichnete dort das neue Freihandelsabkommen mit Indonesien – Palmölproblematik inklusive. Zeitgleich ging in Polen der UN Klimagipfel zu Ende, der ebenfalls zur Genüge Anknüpfungspunkte an das Orang-Utan-Sterben und die Regenwaldzerstörung lieferte. Da kommt die Auswilderung von Alba - einer Orang-Utan-Dame, die 2017 zur Botschafterin ihrer Art ernannt wurde - zur rechten Zeit.

 

Alba ist der weltweit einzig bekannte Albino-Orang-Utan. Sie leidet an einer bestimmten Form von Albinismus, dem sogenannten Leuzismus. Auf Grund eines genetischen Defekts bildet ihr Körper nur begrenzt Farbpigmente (Melanine). Albas Haar ist daher überwiegend weiss, sie hat aber farbige, hellblaue Augen. Ihr Aussehen allein macht Alba zu einer Weltsensation. Laut Recherchen der lokalen Zeitung «Borneo News» wird nur einer von 10000 Orang-Utans als Albino geboren. Bedenkt man die Tatsache, dass es heute nur noch 55000 bis 100000 Borneo- Orang-Utans gibt, wird schnell klar, wie selten ein Albino-Orang-Utan wie Alba tatsächlich ist.

Albas Rettung

Bei ihrer Rettung war Alba erst 5 Jahre alt – ein Alter, in dem Orang-Utan-Kinder in der Regel noch mit ihren Müttern unterwegs sind und sogar gesäugt werden. Was mit Albas Mutter passiert ist, weiss bis heute niemand. Bewohner des kleinen Dorfes Tanggirang in Zentral-Kalimantan Borneo hielten Alba für zwei Tage gefangen, bevor der Fund den lokalen Behörden gemeldet wurde. Am 29. April 2017 rückte ein Team – bestehend aus Mitarbeitenden der Borneo Orangutan Survival Foundation (BOS Stiftung) und der nationalen Naturschutzbehörde (BKSDA) – aus, um Alba zu retten. Die BKSDA konfiszierte das Tier und übergab es an BOS.

Alba in der BOS-Rettungsstation

Rückblick zu Albas Rettung

Alba erholt sich gut bei BOS (Bild: BOS Stiftung).

Alba wurde in die BOS-Rettungsstation Nyaru Menteng gebracht, medizinisch versorgt und dort liebevoll aufgepäppelt. Damals war Alba ausgehungert und schwach. Ihr Gesicht wies Kratz- oder Kampfspuren auf. Und Alba hatte noch keinen Namen. Aus tausenden Namensvorschlägen, die aus der ganzen Welt im Rahmen eines Wettbewerbs im Mai 2017 eingingen, wählte BOS «Alba» aus, was «weiss» auf Lateinisch und «Morgendämmerung» auf Spanisch bedeutet.

 

Mittlerweise ist aus dem Albino, der bei seiner Ankunft nur Zuckerrohr frass und 8.3 kg wog, ein starkes und gesundes, 28 kg schweres Weibchen geworden. Auf dem Speiseplan steht alles, was ein Orang-Utan-Herz höher schlagen lässt. Allein eine durch den Albinismus bedingte Sehschwäche und natürlich ihr besonderes Aussehen unterscheiden Alba noch von ihren Artgenossinnen. Ob und wie sich die Sehschwäche in der Wildnis auswirken wird, ist noch unklar.

 

In der Rettungsstation wurde Alba in einem gegen Sonneneinstrahlung geschützten Gemeinschaftsgehege mit drei weiteren Orang-Utans gehalten. Sie schloss Freundschaft mit der gleichaltrigen Kika, die aus der illegalen Haustierhaltung konfisziert wurde. Alba wurde ohne Probleme von den anderen Orang-Utans akzeptiert und gab schnell als dominantes Tier den Ton in der Gruppe an. Nun soll Alba zusammen mit Kika ausgewildert werden.

Vorbereitung und Auswilderung

Vor der Auswilderung kommen beide in Quarantäne und werden einem umfassenden Gesundheitscheck unterzogen. Dabei werden ihnen Peilsender implantiert, sodass sie später im Auswilderungsgebiet geortet werden können. Für den Transport werden sie betäubt, in Transportkäfige verfrachtet und dann ins Auswilderungsgebiet gebracht.
Die beschwerliche Reise dorthin startet am Dienstag, 18. Dezember 2018 in der BOS-Rettungsstation Nyaru Menteng, erfolgt per Jeep und Boot und dauert bis zu 20 Stunden. Der Konvoi stoppt regelmässig – etwa alle zwei Stunden. Tierärztinnen und -ärzte überwachen dann das Wohl der Orang-Utans. Die Tiere bekommen kleine Snacks und etwas zu Trinken. Sobald das Team den Auswilderungspunkt erreicht hat, werden die Orang-Utans in den Transport-Boxen an Land getragen und nacheinander in den Bukit Baka-Bukit Raya Nationalpark (TNBBR) entlassen. Der Park ist ein etwa 1.810 km² grosses, schwer zugängliches Schutzgebiet, das von der indonesischen Regierung verwaltet wird und an der Grenze zwischen Zentral- und West-Kalimantan liegt. Seit 2016 konnte BOS dort 112 rehabilitierte Orang-Utans auswildern.

Überwachung nach der Auswilderung

Überwachung nach der Auswilderung

Wohlgenährt klettert Alba (Bild: Björn Vaughn | BOS Schweiz).

Am Ort der Freilassung wird ein temporäres Base-Camp installiert. Das erfahrene Feld-Team der BOS Stiftung wird durch geschultes Personal der regionalen Naturschutzbehörde (BKSDA) und des Nationalparks verstärkt. Solange es sinnvoll und notwendig ist, wird das Feld-Team den Tieren von morgens bis abends folgen. Bei sogenannten «nest to nest observations» werden Daten über das Schlaf-, Fress- oder Paarungsverhalten der Tiere gesammelt. So kann überprüft werden, ob die Tiere in der Wildnis zurechtkommen. Insgesamt werden also für Albas Auswilderung die Humankapazitäten vor Ort im Camp und die Intensität der Überwachung erhöht bzw. durch die staatlichen Behörden verstärkt. In medizinischen Notfällen kann eingegriffen werden. Auch bewaffnete Park-Ranger werden im Einsatz sein.

Back-up-Option «Schutzinsel»

Sollten die Jungtiere in der Wildnis nicht zurechtkommen, stünde als Back-up eine bewaldete, geschützte 5 ha grosse Flussinsel zur Verfügung, die BOS extra für Alba und ihre Gefährten gebaut hat. Solche Inseln nutzt BOS, um Tiere auf eine anstehende Auswilderung vorzubereiten: Sie üben dort ein Leben in der Freiheit. Aber auch Orang-Utans, die auf Grund von Krankheiten oder Behinderungen nicht mehr zurück in die Wildnis können, werden wenn möglich auf solchen Inseln in einer natürlichen und artgerechten Umgebung untergebracht. Auf den Inseln werden die Orang-Utans noch zweimal täglich zu gefüttert und überwacht.

Eine Entscheidung mit Chancen und Risiken

Die Entscheidung, Alba auszuwildern, wurde von der Zentralregierung in Absprache mit der nationalen Naturschutzbehörde getroffen. Ihr junges Alter, sowie die Tatsache, dass Alba wild ist und kaum Zeit in Gefangenschaft verbracht hat, sprechen für dieses Vorgehen. Den indonesischen Behörden obliegt die Entscheidungshoheit in allen Artenschutzfragen. Dass sie hier ihrer Verantwortung gerecht werden, ist sicher zu begrüssen. Die zuständigen indonesischen Behörden müssen ausserdem Albas Sicherheit im staatlich verwalteten Nationalpark gewährleisten. Risiken bleiben natürlich. Doch mit der Auswilderung erhält Alba zumindest die Chance auf ein Leben in Freiheit. Die Entscheidung kommt zu einem Zeitpunkt, wo ihre Überlebenschancen maximal gut stehen. Jeder weitere Tag in Gefangenschaft – ob in der Rettungsstation oder auf einer kontrollierten Insel – könnte nämlich dazu führen, dass Alba ihr wildes Verhalten verlernt. Besonders wichtig ist, dass Alba in ein möglichst sicheres Gebiet ausgewildert wird. Über den implantierten Sender kann sie geortet werden und steht zunächst unter besonderer Beobachtung. Alle relevanten Akteure sind involviert und hierfür geschult. BOS - als grösstes Primatenschutzprogramm der Welt – verfügt zudem über enormes Erfahrungswissen im Bereich Auswilderungen und im Post-Release-Monitoring. Dass Alba von BOS auf die Auswilderung vorbereitet wurde, dass BOS die Auswilderung in ein bereits erprobtes Gebiet durchführen darf und Albas Post-Release-Monitoring gemeinsam mit den zuständigen Behörden übernehmen wird, ist für Alba ein Glücksfall. Genauso wie die Tatsache, dass sie nicht in einem Zoo oder im illegalen Tierhandel gelandet ist. Wir wünschen Alba auch weiterhin alles Glück der Welt – denn sie ist uns sehr ans Herz gewachsen.

 

Dr. Sophia Benz (Geschäftsführerin, BOS Schweiz)

 

 

[[youtube url=https://youtu.be/ZHevkiVkTQ0]]