Zum Zirkus der Zukunft und zur Rolle von Zoos

Zirkus und Zoo der Zukunft

Elefanten-Hologramm (Bild: Circus Roncalli).

Vor dem staunenden Publikum in der Manage des Circus Roncalli erweckt modernste Hologramm-Technik riesige Elefanten zum Leben. Lichtbilder entstehen, die atemberaubend schön und majestätisch erscheinen. Bis selbst der Hologramm-Elefant zu Kunststückchen „gezwungen“ wird, vor den Zuschauern in die Knie geht und das Ganze doch noch etwas ins Würdelose ab triftet. Aber gut. Wir wollen mal nicht so streng sein. Das könnte doch die Zukunftsvision des Zirkus sein: Eine Tiershow, die rein auf virtuelle Tiernummern setzt und dennoch den Zauber, der von den Tieren ausgeht, vermitteln kann!

 

Manche sprechen dem Zirkus - genau wie dem Zoo - ja eine wichtige Bildungsfunktion zu: Beim Publikum würde eine Empathie für die Tiere geweckt. Diese Empathie sei unerlässlich für den Artenschutz, denn nur wen oder was man liebt, ist man bereit zu schützen. Diese Meinung teile ich nur begrenzt. Der Zirkus- oder Zoobesuch ist weder eine notwendige, noch eine hinreichende Bedingung für das Entstehen dieser Empathie und damit den Tier- oder Artenschutz. Dazu kenne ich viel zu viele Tierliebhaber und -Schützer, die aus Überzeugung Zoos oder Tiershows vermeiden. Wer möchte, dass seine Kinder Empathie für Orang-Utans entwickeln und für den Arten- und Regenwaldschutz sensibilisiert werden, der schicke sie bitte in unsere BOS Schweiz Orang-Utan-Workshops. Ausserdem verlässt ein Grossteil des Publikums völlig unkritisch die Manage und auch den Zoo. Hinreichend für den Tier- und Artenschutz sensibilisiert sind sie sicher nicht. Der Reutlinger Weihnachtszirkus wirbt jedenfalls nach wie vor stolz mit „Europas grösster Elefanten-Nummer“. In diesem Jahr mit einem extra Zelt für die Elefanten, damit diese auch ganz sicher „artgerecht“ gehalten werden können. Wers  glaubt wird seelig.   

 

Ähnlich argumentierte übrigens neulich Adrian Baumeyer, der Affenkurator des Zoos Basel. In einem SRF-Beitrag bezeichnete er die Käfig-Haltung der Orang-Utans dort als „5-Sterne-Hotel“. Im Mittelpunkt des Beitrags stehen aber die rund 900 Orang-Utans, welche aktuell weltweit in Zoos gehalten werden. Dem Leser werden sie als die vielleicht letzte Hoffnung der vom Aussterben bedrohten Orang-Utans verkauft. Sie seien die „Backup-Population“, die wieder ausgewildert werden könnte, falls die wildlebenden Orang-Utans ausgerottet würden. Ihre Fortpflanzung würde international koordiniert, um ihren Genpool zu erhalten, d.h. Inzucht zu vermeiden. Eine überlebensfähige Population von 900 Orang-Utans? Diverser Gen-Pool? Auswilderbar? Wers glaubt wird auch hier wieder seelig. Wohin, lieber Herr Baumeyer, sollen die 900 Tiere denn ausgewildert werden, wenn ihr Lebensraum zerstört ist? Im Artikel wird richtigerweise angedeutet, dass es „viele Jahre“ dauern würde, „bis aus den Zootieren Wildtiere würden“. Das ist untertrieben. BOS wildert Orang-Utans wieder aus, die nicht über Generationen, sondern „nur“ bis zu 10-15 Jahre in Gefangenschaft verbracht haben. Wir wissen, wie schwierig das bereits ist.   

 

Dem Leser die Illusion zu vermitteln, er oder sie könne mit einem Zoobesuch letztlich einen Beitrag zum Arterhalt leisten, finde ich fraglich, um nicht zu sagen Augenwischerei. Aber irgendwie auch nicht verwunderlich. Offenbar suchen auch die Zoos händeringend nach einer Rechtfertigungsgrundlage in Zeiten, wo das aufgeklärte Publikum zunehmendes diese Institution hinterfragt. Nein, wer etwas zum Orang-Utan- und Regenwaldschutz beitragen möchte, der unterstützte bitte Organisationen wie BOS Schweiz.

 

An die 3000 Orang-Utans hat BOS in den letzten 25 Jahren gerettet, über 350 werden von BOS aktuell auf eine Leben in der Wildnis vorbereitet, knapp 170 Tiere befinden sich in unserer Obhut, die nie mehr in die Freiheit zurück kehren können. Sie brauchen eine artgerechte, naturnahe Unterbringung auf Inseln. BOS betreibt Prävention und Aufklärungsarbeit in Indonesien im Rahmen von Community Development Projekten. Und auch hier in der Schweiz bauen wir unsere Bildungsarbeit weiter aus. BOS forstet zerstörte (Torfmoor)-Regenwälder wieder auf und verwaltet und sichert eigene Auswilderungsgebiete. Knapp 400 Tiere brachte BOS in den letzten Jahren erfolgreich zurück in die Freiheit. Eine neue, wilde Population ist entstanden: Wir wissen von mittlerweile 14 Babys, die von ausgewilderten Orang-Utan-Damen in der Freiheit geboren wurden.

 

Im kommenden Jahr werden neue Orang-Utan-Waisen in unsere Rettungsstationen kommen, während wir damit beginnen werden, Vorauswilderungsinseln für sie zu bauen und weitere Regenwaldgebiete zu erwerben. Wir sind dabei, ein 60000 Hektare grosses Korridorgebiet zu erwerben, das unser Auswilderungsgebiet Kehje Sewen in Ost-Kalimatan mit einem Nationalpark im Norden verbinden wird. So sieht Artenschutz aus! Ach ja: Das Thema Orang-Utan-Tourismus (d.h. der Einsatz von Orang-Utans in Tiershows und Zoos) wird uns ebenfalls 2019 begleiten. Ich hoffe, Sie auch! Merci für Ihre Aufmerksamkeit und Unterstützung und einen guten Rutsch in ein affenstarkes neues Jahr wünschen Ihnen

 

Ihre Sophia Benz & das BOS Schweiz-Team

 

Quellen: https://www.srf.ch/kultur/wissen/vom-aussterben-bedroht-datingportal-zoo-die-letzte-hoffnung-fuer-orang-utans