Erklärung von Glasgow

Ein Schritt vor, zwei Schritte zurück?

Brennender Regenwald

© Björn Vaughn | BOS Schweiz | BOS Foundation

“Wir wollen die Abholzung der Wälder bis ins Jahr 2030 stoppen.” Diese Erklärung haben Vertreter*innen von 127 Staaten - darunter zunächst auch Indonesien - am Klimagipfel in Glasgow unterzeichnet. Knapp 20 Milliarden Dollar sollen für die Umsetzung der dazugehörigen Massnahmen investiert werden. Was das für uns und Indonesien bedeutet und welche überraschende Kehrtwende schon heute für einen internationalen Aufschrei sorgt, beantworten wir hier.

Um was geht es in der Erklärung von Glasgow?

Um Massnahmen in Entwicklungsländern, die zerstörte Landflächen wiederherstellen, Waldbrände bekämpfen und die Rechte indigener Völker und lokaler Gemeinschaften stärken. 127 Länder, die zusammengerechnet fast 85 % der globalen Wälder beheimaten, haben unterzeichnet. Sie investieren 12 Milliarden Dollar für die Umsetzung dieser Massnahmen. Zusätzlich wird damit gerechnet, dass Stiftungen weitere 7 Milliarden beisteuern werden.¹

Welche Länder verloren 2020 am meisten Waldfläche?

Spitzenreiter dieser traurigen Rangliste ist Brasilien mit 1.7 Millionen Hektar. Gefolgt von der Demokratischen Republik Kongo mit knapp 0.5 und Bolivien mit rund 0.3 Millionen Hektar. Als viertes Land wird Indonesien aufgelistet mit einem Waldverlust von 270 000 Hektar.² Zum Vergleich: Im Brandjahr 2019 waren es allein in Indonesien über 1 Million Hektar, 40 % der damals verbrannten Flächen waren wertvolle Torfmoorgebiete, die besonders viel Kohlenstoff bunkern.

Ist die Glasgow-Erklärung relevant für Indonesien?

Wie auch Brasilien, die USA und Russland, hat Indonesien die Erklärung (zunächst zumindest) unterzeichnet. Der Präsident Indonesiens, Joko Widodo, sagte laut einer Mitteilung der SDA, sein Land sei gesegnet mit viel Regenwald. Seine Regierung verpflichtet sich, diese als “natürliches Kapital” zu beschützen.³ Seit 2018 werden in Indonesien keine Lizenzen für neue Plantagen vergeben und im letzten Jahr konnte die Entwaldungsrate um 75 % gesenkt werden. Ein Effekt, der aber auch durch eine vergleichsweise wenig verheerende Brandsaison begünstigt wurde.

Unsere Geschäftsführerin Dr. Sophia Benz schätzt die Situation so ein: “Für ein Umdenken ist es schon lange höchste Zeit. Indonesien hat diesen Prozess gestartet aber es ist noch ein langer Weg. Die CO2-Emissionen Indonesiens sind zu 80 % auf Entwaldung zurückzuführen. In den meisten Fällen musste der Wald Palmölplantagen weichen, die neben dem Klimaeffekt auch aus anderen Gründen problematisch sind. Die Böden sind oft zu nährstoffarm, als dass sie langfristig agrarwirtschaftlich genutzt werden könnten. Um das auf den Monokulturen produzierte Palmöl lange ernten zu können, müssen die Plantagen intensiv mit Pestiziden und Düngemitteln bearbeitet werden. Diese oft giftigen Chemikalien - von denen einige in Europa längst verboten sind - gefährden nicht nur die Gesundheit der Arbeiter und Arbeiterinnen, sondern auch die Qualität des Grundwassers. So wird ein Klimaschutz-Thema ganz schnell zu einem Menschenrechts- oder Gesundheitsproblem. Indonesien trägt jedenfalls massiv zu den weltweiten CO2-Emissionen bei und ist daher auch ein zentraler Akteur im Kampf gegen den Klimawandel und ein ganz entscheidender Teilnehmer und Adressat der Klimakonferenz in Glasgow.”

Wie realistisch ist es, dass die Erklärung von Glasgow umgesetzt wird?

So mittel ‒ das ist die nüchterne Bilanz von Dr. Sophia Benz: “Natürlich hoffen wir, dass die Erklärung möglichst bald und möglichst streng umgesetzt wird. Gerade Brasilien hat aber bis jetzt überhaupt keine Anstrengungen gezeigt, Schritte in Richtung Waldschutz zu gehen. Und - zur Überraschung aller - ruderte Indonesien bereits einen Tag nach der Unterzeichnung zurück! Man habe das Abkommen anders verstanden. Die Rede sein dort nicht von einem kompletten Entwaldungs-Stopp gewesen, sondern nur von einem Nettoverlust an Waldfläche, der bei null liegen solle. Andernorts heisst es, das Abkommen sei mit dem Entwicklungsplan Indonesiens nicht vereinbar, die Rede ist von westlichen Standards, die anderen aufgezwungen würden und als unfair und unangemessen empfunden würden.⁴ Angesichts der Tatsache, dass Indonesien, Brasilien und die Demokratische Republik Kongo schon fast 85 % des globalen Waldbestandes beheimaten, wäre ein Ausstieg Indonesiens aus einer solchen Erklärung jedenfalls fatal. Ich hoffe, Indonesien kehrt zurück ins Boot oder findet ausserhalb der Erklärung einen überzeugenden und konsequenzen Weg, die noch bestehenden Wälder zu schützen und zerstörte Flächen wieder aufzuforsten.”

Falls die Erklärung eingehalten wird: Ist dann das Problem gelöst?

Gegenüber SRF warnt Christian Körner, Experte für Botanik und Biodiversität an der Universität Basel, vor einer Gefahr: Dass man jetzt auf politischer Ebene das Gefühl haben könnte, das Problem sei gelöst. «Dabei wird übersehen, dass 90 Prozent der Emission aus fossilen Brennstoffen kommt und man diese niemals mit grünen Methoden wieder einfangen kann. Es darf nicht passieren, dass jetzt der Druck aus jenen Massnahmen genommen wird, die das Problem eigentlich lösen könnten: Nämlich die Reduktion des Verbrauchs von fossilen Brennstoffen.»

Auch aus Sicht von Dr. Sophia Benz bestünde weiterhin Handlungsbedarf: “Indonesien steht vor riesigen Herausforderungen in Sachen Umweltschutz. Die meisten dieser Herausforderungen haben mit unseren Themen - Regenwaldschutz, Artenschutz, Klimaschutz - zu tun. Beim Thema Entwaldung ist das sehr offensichtlich. Aber auch ein Ausstieg aus der Kohleenergie ist in Indonesien Thema und wird verfolgt. Steigt Indonesien allerdings auf elektrische Fahrzeuge um, fürchten manche, dass das den Nickelabbau vorantreiben wird. Der Bergbau gefährdet dann wiederum die Wälder. Eines ist heute schon ganz sicher: Der Weg, den Indonesien einschlagen wird in Sachen Regenwaldschutz oder Umweltschutz allgemein, bestimmt letztlich auch unser Schicksal mit.”

¹Quelle: gov.uk

²Quelle: Global Forest Watch

³Quelle: swissinfo.ch

⁴Quelle: Reuters

⁵Quelle: SRF