Das Ende einer Ära

Matthias Müller

Nach vielen Jahren hat sich unser Fundraiser und Spender*innen-Betreuer Matthias Müller dazu entschieden, sich neu zu orientieren und BOS Schweiz zu verlassen.

 

Vor 12 Jahren, genauer gesagt am 3.5.2010 startete Matthias seine lange und wirkungsvolle Karriere bei uns. Er baute die Organisation mit auf und verlor unterwegs sein Herz an den einen oder anderen Orang-Utan. In diesem Interview verrät er, warum er hofft, dass es BOS Schweiz in Zukunft nicht mehr braucht.


Was ist deine schönste Erinnerung BOS Schweiz Erinnerung?

Der bewegendste und vielleicht auch der schönste Moment war, als ich in Samboja Lestari endlich die Rettungsstation live erleben durfte. Besonders faszinierend war es, als ich einem ausgewachsenen Orang-Utan Männchen in die Augen blickte. Er sass in seinem Käfig und wir blickten uns stumm und lange in die Augen. Sein Blick wirkte so traurig und irgendwie hatte ich das Gefühl, mich darin zu verlieren.

 

Irgendwann streckte er einen Bambuszweig durch die Gitterstäbe. Gedankenlos griff ich danach. Da zog er mIt einem Ruck daran und ich konnte gerade noch loslassen, bevor er mich zu den Gitterstäben zog. Als ich mich von dem Schreck erholt hatte und wieder in seine Augen blickte, wirkten sie plötzlich schelmisch. Als würde er sagen "Ätsch! Hab dich überlistet." Seine Augen begleiten mich heute noch.

 

Hast du einen Lieblings-Orang-Utan?

Eigentlich sind es zwei Orang-Utans, deren Geschichten aber eng miteinander verwoben sind. Der eine ist Kopral, ein Kämpfer und Lebenskünstler ohne Arme. Der andere ist der blinde Shelton, der völlig traumatisiert aufgegegeben hatte und erst durch die Freundschaft zu Kopral wieder zurück ins Leben gefunden hat. 

 

Eigentlich hätte Kopral schon an den massiven Verbrennungen durch einen Stromschlag sterben müssen. Erst nach zwei Wochen Todeskampf brachte ihn sein Besitzer in die BOS-Rettungsstation. Aufgrund der starken Verletzungen dachte man darüber nach, ihn von seinem Leid zu erlösen. Aber Kopral verhielt sich kämpferisch und zeigte seinen Rettern "Ich will leben." Und so entschloss sich das BOS-Team dazu, ihm beide Arme zu amputieren.

 

Und so wie er damals um sein Leben kämpfte, so kämpfte er dann später um das von Shelton. Tag für Tag kam er an den Käfig und versuchte den völlig apathischen Shelton aus seiner Lethargie zu holen. Es schien so, als wolle er Shelton sagen "Mann, stell dich nicht so an! Ich habe keine Arme und schau doch, wie cool das Leben trotzdem ist." Irgendwie hat er es am Ende dann geschafft und Shelton wachte aus seinem "Dämmerschlaf" auf und begann, mit Kopral zu spielen. Lange waren die beiden Orang-Utans daraufhin unzertrennlich und ein gutes Team.

 

Am Ende hat es leider nur Kopral in die Freiheit auf eine Insel geschafft. Shelton ist mittlerweile komplett blind und kann daher schon seit einigen Jahren nicht mehr in die Waldschule. Zu gross wäre die Gefahr, dass er sich dort in einem unbeobachteten Moment im Wald verirren könnte. Ausserdem ist er nun auch schon zu einem kräftigen Männchen herangewachsen und könnte aus Versehen die Babysitterinnen verletzen.

 

Was wünschst du dir für BOS Schweiz?

Dass es BOS Schweiz nicht mehr braucht. Denn das würde bedeuten, dass wir es geschafft haben, die Situation so zu verändern, dass kein Regenwald mehr abgeholzt wird. Kein Orang-Utan oder ein anderes Lebewesen gewildert oder vertrieben würden. Und dass damit ein entscheidender Schritt in Richtung Klimarettung gemacht wurde. Denn letztlich geht es beim Orang-Utan-Schutz auch um unser Überleben.

 

Was war der grösste Erfolg, den BOS Schweiz erreicht hat?

Neben vielen anderen Erfolgen für die Orang-Utans ist es für mich das Malaienbärengehege. Lange Jahre lag der Fokus natürlich klar bei den Orang-Utans. Unerlässlicht! Gerade wenn die finanziellen Mittel massiv begrenzt sind. Doch viel zu viele Bären lebten in viel zu kleinen Käfigen. Und die zwei vorhanden Freigehege waren völlig untauglich und ungeeignet für die lichtempfindlichen Bären. Mit Patrick Rouxel nahm sich dann nach vielen Jahren endlich jemand dem Problem an und in BOS Schweiz fand er dann auch nicht nur den finanziellen sondern auch einen Partner, der mit ihm gemeinsam für eine Verbesserung der Lebensverhältnisse der Bären kämpfte.

 

Heute stellt niemand mehr die Sinnhaftigkeit des Projektes in Frage. Gemeinsam haben wir in Samboja Lestari ein artgerechte Gehegeanlage aufgebaut. So haben auch wir unseren "Bärenpark" geschaffen. Den man übrigens auch besuchen kann.

 

Was wirst du am meisten vermissen?

Alles. Das Team, die tollen Spenderinnen und Spender. Mit manchen hat sich in der langen Zeit eine enge Beziehung aufgebaut.

 

 

 

Lieber Matthias, herzlichen Dank für deinen langjährigen Einsatz für uns, die Orang-Utans, die Malaienbären und ihr Habitat.