Ein Tag im Leben einer Orang-Utan-Ersatzmutter

Mariana und ein Orang-Utan
Die 48-jährige Mariana hat ein Kind, ein Enkelkind – und ganz viele Orang-Utan-Kinder. Hier erzählt die Ersatzmutter für Orang-Utan-Waisen, was sie in der Waldschule auf Borneo erlebt.

Die engste Mutter-Kind-Beziehung der Tierwelt haben Orang-Utans. Rund 9 Jahre kümmern sich Orang-Utan-Mütter aufopfernd um ihre Jungen und beschützen sie, auch unter Einsatz ihres Lebens. Wird die Mutter von Wilderern oder durch einen Waldbrand getötet, ist das Baby nicht überlebensfähig. Ausser es hat Glück im Unglück und wird von BOS gerettet. Dann erhält es in der BOS-Rettungsstation eine zweite Chance und startet den bis zu 10 Jahre dauernden Rehabilitationsprozess. Menschliche Ersatzmütter (auch Babysitterinnen genannt) wie Mariana übernehmen dann die gesundheitliche und emotionale Pflege der kleinen Waisen.


Mariana, du arbeitest seit über 20 Jahren in der BOS-Rettungsstation Nyaru Menteng. Was hast du vorher gemacht?


Ich habe keinen Schulabschluss und war Hausfrau, bevor ich 2002 in der Rettungsstation die Stelle als Ersatzmutter für Orang-Utan-Waisen annahm.


Für welchen Orang-Utan bist du Ersatzmutter?


Ich pflege und erziehe viele Orang-Utans, nicht nur einen. Zu Himba habe ich allerdings eine besondere Beziehung. Als er in die Rettungsstation kam, ging es ihm miserabel. Er hatte starke Verbrennungen, wahrscheinlich von einem Waldbrand, aber wir wissen leider nicht, was geschah. Er brauchte von Anfang an ganz viel Nähe. Ich konnte nicht einmal pinkeln gehen, weil er nie von meiner Seite wich!


Was ist der Unterschied zwischen einem Orang-Utan- und einem Menschenbaby?


Für mich gibt es keinen Unterschied bei der Pflege von Orang-Utan- und Menschenbabys. Aus körperlicher und gesundheitlicher Sicht sind sie fast gleich. Der einzige Unterschied ist, dass wir Menschen in Siedlungen wohnen und Orang-Utans im Wald leben sollten.

“Ich kümmere mich um die Orang-Utans wie um mein eigenes Kind, da gibt es für mich keinen Unterschied.”

Mariana, 48, Orang-Utan-Ersatzmutter

 

Waldschule

Wie sieht ein typischer Arbeitstag aus?


Wenn viel los ist, beginne ich um 6 Uhr morgens mit der Arbeit. Als erstes bereite ich die Milchfläschchen vor und wickle die Orang-Utans. Dann geht es los in die Waldschule. Dort gibt’s als erstes ein Znüni. Dann verbringen wir den Tag im Wald mit Nahrungssuche, dem Erkennen von Gefahren, Nestbau, Klettern und vielem mehr.


Ich beobachte die Tiere dabei sehr genau: Wenn ich Anzeichen erkenne, dass es einem unserer Schützlinge nicht gut geht, prüfe ich die Temperatur und falls diese erhöht ist, benachrichtige ich das tierärztliche Team. Auch bei der Pflege der kranken Orang-Utans helfe ich mit. Wenn ein Tier zum Beispiel Durchfall hat, füttere ich ihm Kräutermedizin wie gekochte Guavenblätter.


Auch in der Nacht ist immer eine Ersatzmutter bei den Orang-Utans. Wir bewachen die Kleinen, helfen beim Einschlafen und wechseln Windeln. Wer eine Nachtschicht hat, muss tagsüber nicht arbeiten.


Wofür ist die Waldschule gut?


Sie ist die zweitbeste Umgebung, um Orang-Utans aufzuziehen. Die beste ist in Freiheit bei ihrer Mutter. Die Orang-Utan-Waisen lernen von uns und ihren Gspänli, auf Bäume zu klettern, Nester zu bauen, Gräser, Früchte, Termiten und weitere natürliche Nahrungsquellen zu erkennen und dass sie sich zum Beispiel von Schlangen fernhalten müssen.


Wie funktioniert die Vereinbarkeit von Beruf und Familie?


Gut. Ich lasse die Arbeit bei der Arbeit und meine privaten Angelegenheiten zuhause. Wenn ich nach Hause komme, widme ich meine volle Aufmerksamkeit meiner Familie und konzentriere mich auf meine Rolle als Hausfrau.

Retten Sie die Waldschule

Himba 2011

Mehr tot als lebendig gelang der kleine Himba vor 13 Jahren verwaist und mit starken Verbrennungen zur BOS-Rettungsstation. Das tierärztliche Team und Mariana kämpften um sein Leben. Mit Erfolg. Himba wurde geheilt und lernte in der Waldschule von Nyaru Menteng alles, was ihm seine Mutter nicht mehr beibringen durfte. Aus dem kleinen Bündel wurde ein dominanter und geschickter Orang-Utan, der auf der Vorauswilderungsinsel Kaja seine letzten Lektionen vor der Auswilderung lernt.

 

 Die 243 geretteten Orang-Utan-Waisen in Nyaru Menteng möchten diesen Weg ebenfalls einschlagen, doch wir bangen um ihre Zukunft: Die Rettungsstation muss umziehen, da der Pachtvertrag ausgelaufen ist. Das Gelände wird zu einem Naherholungsgebiet. Jetzt arbeiten wir daran, die Waldschüler*innen sicher zu verlegen und am neuen Ort die lebenswichtige Infrastruktur wie Waldwege, Spielplätze und Fütterungsplattformen zu bauen.

Spenden Sie für die Waldschule

Helfen Sie uns, den Orang-Utan-Waisen eine sichere Zukunft fernab von Bauprojekten und Menschenmassen zu ermöglichen?

 

- Mit 200 CHF sichern Sie den Bau einer neuen Fütterungsplattform.
- Mit 40 CHF helfen Sie, den Waldspielplatz mit Spielgeräten auszustatten.

Fotos by Björn Vaughn (mittleres Bild) und BOS Foundation