Freiheit kostet 250 000 Franken

Onyer, eine Orang-Utan-Waise

Was ist ein Orang-Utan-Leben wert? Mit dieser Frage setzen wir uns seit bald 20 Jahren auseinander. Im Februar konfrontierte ein Vorfall in der Schweiz viele Menschen ausserhalb der “BOS-Bubble” mit dieser Frage: Der Basler Zoo schläferte damals ein nur 4 Tage altes Orang-Utan-Baby ein, nachdem seine Mutter gestorben war.

 

Die Empörung war riesig. Doch war sie gerechtfertigt? Und wie weit gehen wir, um Orang-Utan-Leben zu schützen?

 

Copyright Fotos: BOS Foundation

Unsere Stellungnahme zum Vorfall im Zoo Basel ist differenziert und klar: Das BOS-Team hätte alles versucht, um die kleine Waise zu retten. Der Zoo behauptete, mit Handaufzucht schlechte Erfahrungen gemacht zu haben, und befürchtete Probleme bei der späteren Eingliederung des Tiers in die zoo-eigene Orang-Utan-Gruppe. Das liegt aber vor allem daran, dass eine Eingliederung in eine Gruppe gegen die Natur eines Orang-Utans ist. In der Wildnis leben Orang-Utans nämlich nicht in Familienverbänden oder Gruppen.

Kontroverse 1: Zoos

Orang-Utans in Gefangenschaft zu halten - egal ob in Zoos oder in Käfigen innerhalb einer Rettungsstation - ist nie artgerecht. Die hochintelligenten Tiere verbringen 90 % ihres Lebens in Bäumen. Insbesondere die Männchen benötigen riesige, unberührte Streifgebiete, die hunderte von Futterpflanzen bieten. Nur die Mission von BOS, verwaiste, verletzte und traumatisierte Tiere für ein Leben in der Wildnis fit zu machen, rechtfertigt den Aufenthalt in der Rettungsstation. Den Zoos fehlt ein vergleichbares Argument. Sie nennen als Rechtfertigung den Begriff “Reserve-Population”. Damit soll der Arterhalt gewährleistet werden.

 

Unsere Geschäftsleiterin Dr. Sophia Benz ist skeptisch: “Dass Tiere, die ihr ganzes Leben – oder sogar über Generationen hinweg – in Gefangenschaft gelebt haben, jemals wieder ausgewildert werden können, ist Augenwischerei. Wer Orang-Utans vor dem Aussterben bewahren möchte, sollte weniger in Zoobesuche und mehr in ernstzunehmende Artenschutzprogramme investieren. Wir müssen die letzten Lebensräume und wilden Populationen vor Ort schützen. Und zwar jetzt.”

Ben als Baby

Nur Jungtiere, die kurz oder gar nicht in Gefangenschaft leben mussten, haben eine realistische Chance, in der Wildnis zu überleben. Sie können von Hand aufgezogen, rehabilitiert und ausgewildert werden. Orang-Utan Ben ist der lebende Beweis. Und er ist kein Einzelfall.

 

Ben (links) kam 2010 in der BOS-Rettungsstation zur Welt. Seine Mutter wurde aus thailändischer Gefangenschaft gerettet, wo sie für den Wildtiertourismus missbraucht worden war. Leider konnte sie sich nicht um ihr Baby kümmern, sodass das BOS-Team die beiden trennen musste. Letztes Jahr konnte Ben als 500. Orang-Utan in 10 Jahren von BOS ausgewildert werden.

 

Kontroverse 2: Verhütung

Die Geschichte von Ben führt uns zu einem weiteren polarisierenden Thema: Verhütung. Diesbezüglich war Ben nämlich ein Unfall, denn weiblichen Orang-Utans wird in den BOS-Rettungsstationen ein Hormonimplantat eingesetzt. Fragen Sie sich jetzt: Orang-Utans sind doch vom Aussterben bedroht – warum haltet ihr die Tiere davon ab, sich fortzupflanzen? Die Antwort ist, dass wir die Geburten nicht verhindern, sondern verzögern wollen. Unser Ziel ist, dass Babys in Freiheit geboren werden.

Zudem sind die meisten Orang-Utans, die in den Rettungsstationen leben, zu unselbstständig, um sich um ein Baby zu kümmern. Zuerst müssen sie alle Stufen des Rehabilitationsprozesses durchlaufen und wichtige Lektionen lernen, bis sie bereit sind für ein Leben in der Wildnis. Erst dann sind sie in der Lage, in Freiheit ein Baby zu gebären und aufzuziehen.

Wie viel ist ein Orang-Utan-Leben wert?

Für uns ist ein Orang-Utan-Leben sehr, sehr viel wert. Abgesehen vom Tierschutzgedanken (jedes Individuum zählt) ist jedes einzelne Tier auch für den Artenschutz (Erhalt der Spezies) matchentscheidend. Darum investieren wir unser Herzblut und rund 250 000 Franken pro Tier: So viel kostet die Rettung, die 8-10 Jahre dauernde Rehabilitation und die Auswilderung einer Orang-Utan-Waise.

 

Wir verstehen die Empörung, die der Vorfall im Basler Zoo auslöst. Und wir wünschen uns, dass die Schicksale der Orang-Utans ausserhalb von Zoos dasselbe Mass an Betroffenheit auslösen. Dann könnten wir sie und ihren Lebensraum retten.

Helfen Sie uns, traumatisierte Orang-Utans zu rehabilitieren und auszuwildern? Werden Sie jetzt Gotte oder Götti oder verschenken Sie eine Patenschaft.

PS: Kontroverse 2.5

Bei Orang-Utan-Männchen werden keine Vasektomien durchgeführt, weil sie “zu Veränderungen im männlichen Verhalten führen, die sich auf das Wohlergehen des Orang-Utans auswirken", sagt Paulina L. Ela, die Kommunikationschefin der BOS Foundation. Auch bei Orang-Utan-Weibchen sind übrigens schwer reversible oder permanente Verhütungsmethoden aus Artenschutzgründen undenkbar. Und wie wäre es mit einer hormonellen Verhütung für Orang-Utan-Männchen? Gleichberechtigung bleibt in dieser Hinsicht leider auch in der Tierwelt Wunschdenken. Wie bei uns Menschen werden die  Nebenwirkungen der hormonellen Verhütung (Gewichtszunahme, Depressionen etc.) allein den Orang-Utan-Weibchen zugemutet.