Hinfallen, aufstehen, weitermachen - Klettern will gelernt sein

Klettern macht Spass

Klettern macht Spass (Bild: BOS Stiftung)

Dokumentarfilme erwecken leicht den Eindruck, dass Orang-Utan von Geburt an anmutige und elegante Herrscher der Baumkronen sind. Sie klettern mit Leichtigkeit in schwindelerregende Höhen und schwingen sich mit salopper Selbstverständlichkeit von Ast zu Ast. Doch dieser Eindruck täuscht. Hinter der beeindruckenden Kletter-Akrobatik steckt harte Arbeit. Genau wie Menschenkinder das Gehen, so lernen auch Orang-Utan-Kinder das Klettern nur durch unzählige Wiederholungen und Misserfolge. Doch ist bei unseren orangenen Verwandten die Fallhöhe um ein Vielfaches grösser und der Lernspass daher entsprechend gefährlicher. Für die grössten arborealen (auf Bäumen lebenden) Säugetiere ist es buchstäblich ein steiler Weg von den ersten Greifbewegungen bis zum geschickten Baumklettern.
Im Schutzgebiet Batikap, Zentral-Kalimantan, beobachtet das Post-Release-Monitoring (PRM)-Team der BOS Foundation zurzeit mehrere Mutter-Kind-Paare verschiedenen Alters. Wie bei uns Menschen bestehen auch diese Mutter-Kind-Paare aus eigenständigen Persönlichkeiten. Jedes Paar an sich macht daher eine wahrlich einzigartige Beziehung aus. Eines haben aber all diese Paare gemeinsam: Die Jungtiere machen Fehler – permanent.

Verhängnisvoller Astbruch

Die junge Sifa lernte im Alter von siebeneinhalb Jahren, sich auf unterschiedliche Arten von Ast zu Ast zu bewegen. Das PRM-Team weiss nicht, wo sich die leibliche Mutter von Sifa befindet, sichtete das Jungtier aber kürzlich zusammen mit dem ausgewachsenen Weibchen Compost. Die fürsorgliche Compost schien sich um die verwaiste Sifa zu kümmern. Während Compost gerne auch Zeit auf dem Waldboden verbringt, bevorzugt es Sifa, die Welt von hoch oben aus den Baumwipfeln zu betrachten. Eines Tages, als das Jungtier von Ast zu Ast hüpfte, brach der Zweig von dem es gerade wegschwang. Sifa fiel fünf Meter in die Tiefe, bevor sie in darunterliegenden Ästen hängen blieb. «Stiefmutter» Compost beeilte sich unverzüglich, dem Orang-Utan-Kind zu helfen. Doch glücklicherweise war das nicht nötig - Sifa war unverletzt und machte sich sofort fröhlich weiter auf ihren Weg hoch oben, von Ast zu Ast.
Klettern macht Spass II

Auch Unfälle gehören dazu (Bild: BOS Stiftung)

Gefährlicher Sturz in die Tiefe

Aufstehen und Weitermachen

Aufstehen und Weitermachen (Bild: BOS Stiftung)

Garu und ihre Mutter Gadis zu beobachten ist immer eine Herausforderung für das PRM-Team. Die beiden sitzen gerne hoch oben auf den Bäumen, gut versteckt hinter den Blättern. Die achteinhalbjährige Garu ist schon sehr selbständig und sucht oft einen gewissen Abstand von ihrer Mutter. Leckeres Futter bringt die beiden aber immer wieder zusammen.

 

Eines Tages naschten beide gerade süsse Früchte, als ein lautstarker Knall den Regenwald aufschreckte. Mutter Gadis erkannte die Gefahr sofort und schwang sich in Sekundenschnelle auf den nächsten Baum. Garu hingegen konnte den Knall noch nicht als Gefahr einordnen, blieb daher ruhig sitzen und mampfte fleissig weiter. Wenig später stürzte der ganze Baum mitsamt Garu 20 Meter nach unten. Schreckerfüllt und hilflos beobachtete das PRM-Team die Situation. Im gleichen Augenblick machte sich die Supermama auf den Weg nach unten zu Garu. Glücklicherweise war die Kleine unverletzt, ihr Mund noch immer voll mit saftigen Früchten.

Die Tücken der Physik

Das Orang-Utan-Äffchen Riwut wächst viel schneller als erwartet. Das PRM-Team beobachtete einmal, wie Mutter Cindy eine lange Pause auf dem Waldboden genoss, während Riwut gerade fleissig ihre Fähigkeiten zu baumeln und zu schwingen übte. Die Kleine wählte für ihr Training aber immer sehr dünne Bäume. Beim ersten Versuch beugte sich der Baum unter dem Gewicht von Riwut und brach. Das junge Orang-Utan-Weibchen liess sich davon aber nicht abschrecken und machte ihre «Dünn-Baum-Übungen» mutig weiter, unglücklicherweise mit dem immer wieder gleichen Ergebnis. Riwut landete jedes Mal auf dem Boden. Schliesslich gestand sie sich ihre Niederlage ein und gesellte sich zu ihrer Mutter auf dem Waldboden für eine wohlverdiente Pause.
Die Tücken der Physik

Aller Anfang ist schwer (Bild: BOS Stiftung)

Übung macht den Meister

Übung macht den Meister

Mit jedem Fehler wird es besser (Bild: BOS Stiftung)

Wie bei Menschenkindern sind Fehler in den ersten Lebensjahren auch bei Orang-Utans ein wesentlicher Bestandteil der natürlichen Entwicklung. Mit harter Arbeit und viel Übung verbessern die Kleinen ihre Fähigkeiten Tag für Tag und bereiten sich so auf ein selbständiges Leben im Regenwald vor. Sifa, Garu und Riwut haben noch viel zu lernen, doch wenn sie weiter so fleissig üben, kommt der Erfolg garantiert. Und bis dann können Sie auf die Hilfe ihrer Mütter/Stiefmütter zählen.

Dringend benötigte finanzielle Unterstützung

In den BOS-Rettungsstationen übernehmen menschliche Ersatzmütter diese Funktion. Von Ihnen lernen die Orang-Utan-Waisen, die zu uns kommen, alles, was sie brauchen, um später in der Freiheit selbständig überleben zu können. Diese Ausbildung kostet sehr viel Geld. Bis Dezember 2018 rechnet die BOS Foundation mit einem monatlichen Defizit von über 27‘000 USD. Einen Teil der fortlaufenden Kosten (für Futter, Unterbringung, medizinische Pflege etc.) kann BOS Schweiz aus Stiftungsgelder decken. Trotz dieser wertvollen Unterstützung fehlen aber nach wie vor jeden Monat 20‘164 USD – d.h. über 100‘000 USD bis Ende des Jahres. Helfen sie uns, diese finanzielle Lücke zu schliessen!