Eine adrenalingeladene Auswilderung

Auf dem Weg zur Auswilderung
Die erste Auswilderung dieses Jahres ist geschafft. Der grosse Aufwand hat sich definitiv gelohnt, denn die vier ausgewilderten Orang-Utans leben jetzt endlich in der verdienten Freiheit. Wie die Reise ablief, erzählt Andri Kornelius vom Kommunikationsteam der BOS Foundation.

“Es gibt Momente, die man nie vergisst. Momente, die eine besondere Bedeutung haben und starke Emotionen hervorrufen. Gleich mehrere solche Momente hatte ich während der 39. Orang-Utan-Auswilderung der BOS Foundation in Zentral-Kalimantan am 18. Mai 2022.

Die Freilassung bewegte mich besonders, weil ich an dem Rehabilitationsprozess aller vier Orang-Utans beteiligt war. Ich hatte ihre Fortschritte über die Jahre hinweg genau verfolgt und mit ihnen mitgefühlt. Bevor sie ausgewildert wurden, lebten alle vier Orang-Utans halbselbständig auf Vorauswilderungsinseln. Dort begann Ende Januar der Auswilderungsprozess, als die vier Orang-Utans von den Inseln abgeholt werden mussten. Vor allem das Einfangen von Dius auf der Insel Badak Kecil war besonders ereignisreich. Als wir versuchten, uns Dius zu nähern, war sein Kopf von Bienen umgeben! Offenbar hatte er gerade Waldhonig gegessen und die wütenden Bienen versuchten, ihn und alles, was in seine Nähe kam, anzugreifen. Zum Glück blieb Dius unversehrt. Doch die Verabreichung der Narkose war äusserst schwierig, da unsere Techniker tief in die Insel vordringen und sogar schwimmen mussten, um ihn zu erreichen.

Nach mehrmonatiger Quarantäne (so stellen wir sicher, dass die Tiere keine Krankheiten in den Wald einschleppen) waren die Orang-Utans endlich bereit für ihre Freilassung. Dius und Jazzboy waren die ersten, die betäubt wurden, gefolgt von Itang und Sebangau. Alle vier Orang-Utans wurden daraufhin in Transportkäfige verlegt. Das Team brach um 18 Uhr von Nyaru Menteng auf und erreichte das Dorf Tumbang Hiran gegen 2 Uhr morgens. Am nächsten Morgen setzte unser Team die Reise mit einem Boot fort und kämpfte dabei gegen starke Strömungen und viel Regen.
Fütterung während der Auswilderung

© BOS Foundation

Öffnung des Käfigs von Dius

© BOS Foundation

Als das Team an der Auswilderungsstelle ankam, wurde zuerst Sebangaus Käfig geöffnet. Sie verliess sofort den Käfig und kletterte auf einen hohen Baum und entspannte sich daraufhin auf dessen Ästen. Dius war der nächste, der freigelassen wurde. Er kletterte direkt auf denselben Baum wie Sebangau. Die beiden paarten sich daraufhin auf dem Baum und erkundeten anschliessend gemeinsam die Umgebung.

Etwas davon entfernt öffnete unser Team den Käfig für Itang, die auf einen Baum kletterte und nach einiger Zeit ein Schlafnest baute. Jazzboy war offenbar verärgert darüber, dass er so lange im Käfig festsass und so stellte er den Käfig kurzerhand auf den Kopf und schlug gegen einen grossen Baumstamm bevor er aufbracht, um sein neues Zuhause zu erkunden.

Bei Sonnenuntergang hatten wir die Auswilderung abgeschlossen und machten uns auf den Rückweg zum Camp Hiran. Der Rückweg war wesentlich schwieriger, da es bereits dunkel wurde und wir wenig sehen konnten. Da passierte es: Das Boot steckte mitten in einer Stromschnelle zwischen zwei Felsen fest. Ich machte mich auf das Schlimmste gefasst. Die Techniker und ich versuchten zu helfen, indem wir das Boot versuchten, anzuschieben. Das hat zum Glück geklappt und wir konnten dem Kentern gerade so entgehen.
Gefährlicher Moment in der Stromschnelle

© BOS Foundation

Auf dieser Reise durchlebte ich ein Wechselbad der Gefühle, denn in einem Moment erlebte ich überwältigendes Glücksgefühl, im nächsten Nervenkitzel und Beklemmung. Meine Angst vor dem Kentern jagten meinen Adrenalinspiegel in die Höhe! Aber es war jede Herausforderung wert, diesen vier Orang-Utans die Möglichkeit zu geben, in der Freiheit zu leben und sich dort fortzupflanzen. Ich hoffe, dass ich noch mehr Menschen dazu inspirieren kann, sich mit ihren Möglichkeiten für Orang-Utans und ihr Habitat einzusetzen.”

 

 

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Die Auswilderung fand in Zusammenarbeit mit der indonesischen Naturschutzbehörde (BKSDA) und dem Bukit Baka Bukit Raya Nationalpark statt.

 

Titelbild © BOS Foundation